Von dem bewegten Bild bis zum modernen Tonfilm
Vor allem möchte ich hier drei Zeiteinteilungen in der Entstehung des lebenden Bildes feststellen, und zwar das bewegte Bild, das lebende Bild und die Kinematographie.
Das bewegte Bild ist schon tausende von Jahren vor Christi von Gelehrten und Wissenschaftlern festgestellt worden. Der englische Gelehrte Will Day hat geschichtlich nachgewiesen, dass die Chinesen schon 7000 v. Chr. Schattenbilder, aus Büffelhaut geschnittene Figuren auf weißem Pergament erscheinen ließen, die allerlei Bewegungen ausführten. Andere Wissenschaftler haben das bewegte Bild in den Höhlenbildern des Quartärzeitalters (älteste Steinzeit), etwa in den Tierfresken von Altamira, festgestellt; in den schwedischen Feldbildern der Bronzezeit etwa 2 Jahrtausende v. Chr., die auf geradezu expressionistisch, oft sogar futuristisch anmutenden Grundlagen den Eindruck der Bewegtheit hervorriefen. Wenn diese Künstler vor vielleicht 20 Jahrtausenden ein Tier oder einen Menschen bildlich darstellen wollten, so haben sie ihre Kunstobjekte nicht nur einmal gezeichnet, sondern mehrere Male, beispielsweise ein Tier jedes Mal anders, in einem anderen Bewegungsstadium, also wie wir sie später etwa bei den photographischen Reihenaufnahmen von Marey (1885) wiederfinden. In den Steinplatten des Kivikmonumentes in Schonen ist eine Prozession dargestellt, bei der Menschen, Wagen, Tiere einander linear geordnet folgen und durch dieses primitive Kompositionselement der linearen Wiederholung entsteht dann auch nicht nur der Eindruck der Zusammengehörigkeit, sondern tatsächlich auch der Bewegung. Ähnliche Eindrücke gewinnt man bei den vielen Reliefs Alt-Ägyptens (3 Jahrtausende v. Chr.), der altindischen Kunst (wie etwa bei dem Parthenonfries mit seiner linearen Zeit-Raum-Komposition und der hochentwickelten Rhythmik).
Ohne den vieltausendjährigen Wunschtraum der Menschheit, die Zeitkoordinate in der Fläche darstellen und Bewegungen auf rechteckiger Fläche wiedergeben zu können, wäre das, was dann viel später als Spielzeug, Zaubertrick oder Kuriosum in die Geschichte der Technik eintrat, in diesem Anfangszustand geblieben und hätte niemals als echte Großmacht die Erde erobert.
Später finden sich Aufzeichnungen des Titus Lucretius Carus, der 99 v. Chr. lebte, die in ihrer Art einzig sind und die geradezu als die Vorläufer der Entdeckung des stroboskopischen Prinzips bezeichnet werden können, das noch heute vielfach Anwendung findet, wenn es sich darum handelt, Bewegungsvorgänge zu studieren. Die fragliche Stelle lautet: „Übrigens wundre dich nicht, dass Bilder sich scheinen zu regen, / Regelmäßig auch die Arm, und die anderen Glieder zu werfen. / Eines (der Bilder) verschwindet, ein anderes in anderer Stellung / Tritt an den Platz, und das erstere scheint die Gebärde zu wechseln, / Denn wie man wohl einsieht, vollzieht dies äußerst geschwind sich.“ Es scheint demnach, dass Titus Lucretius Carus die Grundsätze der Wiedervereinigung von Reihenbildern kannte.
Es wurden aber erst nach dem Aufschwung der wissenschaftlichen Physik ganz allmählich psychologische und physiologisch-optische Studien gemacht, aus denen dann allmählich die klare Erkenntnis des stroboskopischen Effekts erwuchs. Der stroboskopische Effekt wird durch einen psychologischen Vorgang ausgelöst, ein physiologischer spielt aber für die Kinematographie auch eine wichtige Rolle. Die Kinematographie basiert nämlich ferner noch auf dem optischen Gesetz von der Nachwirkung des auf die Netzhaut des Auges treffenden Lichteindrucks, das will heißen: wird ein Bildeindruck, den unser Auge empfängt, plötzlich unterbrochen (etwa durch Schließen der Augen), so erlischt nicht auch gleichzeitig die Empfindung, sondern bleibt noch eine bestimmte Zeit bestehen, wenn auch dunkel und verschwommen. Man bezeichnet diese Erscheinung als Nachdauer der Empfindung oder kurz als Nachbildwirkung. Ich nenne ein paar ganz einfache Beispiele: wir alle haben gewiss schon einmal in einem Schaufenster gesehen, wie eine weiße runde Scheibe mit einem schmalen farbigen Sektor rotiert und den Eindruck gewonnen, als ob die sich drehende Scheibe vollkommen farbig ist.
Dieses physikalische Phänomen hat schon Ptolemäus in seinem Werke „Optik“ um 150 n. Chr. beschrieben. Bis zu dieser Zeit dauert die Epoche des bewegten Bildes. Es muss geradezu unbegreiflich erscheinen, dass die Beobachtungen des äygptischen Gelehrten gänzlich begraben und im folgenden eineinhalb Jahrtausend auch nach keiner einzigen Richtung hin weiter ausgebaut worden sind, denn wirklich erst nach 1500 Jahren gewann der Physiker D’Arcy im Jahre 1654 dieselben Ergebnisse, als er im dunklen Raum ein Stückchen glühende Kohle an einem Draht im Kreise schwang. Er sah bei diesem Experiment nicht mehr das einzelne Stückchen Kohle als glühenden Punkt, sondern zuerst eine glühende gebogene Linie und bei immer schnelleren Drehungen schließlich einen glühenden, in sich geschlossenen Kreis. Der einfache Versuch lehrt also, dass das Nachbild des Objekts an einer bestimmten Stelle genau so lange bleibt, wie die glühende Kohle zu einer vollen Umdrehung gebraucht. Die Dauer kann man berechnen: Die Netzhaut des Auges empfängt einen Lichteindruck, den das Auge nicht sofort verabschiedet, sondern eine zwanzigstel bis eine halbe Sekunde festhält. Infolgedessen vermengen sich die rasch hintereinander folgenden Eindrücke mit den Nachwirkungen und erwecken ein geschlossenes Bild der gesamten Eindrücke. Professor Tindall hat nun experimentell festgestellt, dass die „Persistenz der Geschichtswahrnehmung“ für den Durchschnittsmenschen etwa 1/16 Sekunde währt. Darauf fußt das ganze Wesen der Kinematographie, die an 16 Bildern pro Sekunde als Norm festhält. Es kommt also auf weiter nichts an, als von einer Bewegung, die sich in einer Sekunde abspielt, 16 Bilder – entweder Zeichnungen oder Photographien – herzustellen und diese 16 Bilder in einer Sekunde dem Auge in irgendeiner Form wieder wahrnehmbar zu machen. Wer das kann, kann lebende Bilder herstellen und zeigen.
1685/86 projizierte Johannes Zahn mittels eines flachen Glasgefässes lebende Tierchen.
1713 fertigte und beschrieb Ehrenberger aus Hildburghausen mechanisch bewegliche Bilder für Bildwerfer, die auch schon 16 Jahre vorher der Jenenser Physiker Weigel hergestellt haben soll.
1792 erscheint in Paris im „Dictionnaire encyclopedique des amusements des sciences mathématiques et physiques“ wohl die erste Beschreibung von Projektionsbildern, die schnell von Hand gewechselt werden und verschiedene Bewegungsphasen wiedergeben.
1825 brachte Dr. Fitton in London die Wunderscheibe heraus, eine Fläche, die auf beiden Seiten zwei verschiedene Darstellungen trägt, die bei schneller Drehung der Scheibe miteinander verschmelzen.
1828/29 entwickelte J. Plateau ein Gerät, bei dem Phasenbilder hinter einer Spaltscheibe zu einem Bewegungseindruck verschmolzen wurden.
1830/31 entwickelte M. Faraday ein ähnliches Gerat.
1832 wurde unabhängig voneinander von Plateau und Stampfer (Wien) das Lebensrad geschaffen, eine Scheibe, die mehrere Phasenbilder trägt, die durch Schlitze der Scheibe hindurch in einem Spiegel betrachtet werden können und beim Drehen der Scheibe zu einem bewegten Bild verschmelzen.
1833 beschreibt W. G. Horner die Wundertrommel, ein in Trommelform gebrachtes Lebensrad. Diese Wundertrommel blieb dann bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Kinderspielzeug. Sie wurde im Laufe der Zeit verschiedentlich verbessert.
1845 hat der österreichische Offizier v. Uchatius ein leistungsfähiges Projektionslebensrad mit Beleuchtung durch Kalklicht geschaffen.
1849 wollte Plateau die Bilder für das Lebensrad photographisch herstellen und zwar stereoskopisch. Dieses Verfahren versagte jedoch an der damaligen Unempfindlichkeit der photographischen Platten.
1852 stellte zwar Claudet solche Bilder her, doch konnten nur gestellte Bewegungsphasen mit Zeitbelichtung aufgenommen werden, sodass hier von eigentlichen Aufnahmen von Reihenbildern nicht gesprochen werden kann.
1852 brachte der Pariser Optiker Duboscq eine stereoskopische Wundertrommel heraus.
1868 entstand der Taschenkinematograph von Linett, bei dem die Phasenbilder in Buchform angeordnet sind und durch Abblättern sichtbar werden.
1868 brachte Whesttone ein sprungweise bewegtes Lebensrad heraus.
1869 nahm A. B. Brown ein amerikanisches Patent auf ein Projektionslebensrad, bei dem die Bildscheibe durch ein Einzahngetriebe unstetig gedreht wird.
1872 tauchte das von Reynaud erfundene Praxinoskop auf, eine Verbindung der Wundertrommel mit dem Lebensrad. Bei diesem Apparat fällt der Blick durch eine Spalte fort, denn die Bilder werden im Spiegel betrachtet, wobei jedes Phasenbild seinen eigenen Spiegel hat.
1874 wurde die ersten Reihenaufnahmen von dem französischen Astronomen J. Janssen gemacht. Sein Apparat arbeitete in der Weise, dass durch ein Uhrwerk eine runde Platte sprungweise bewegt wurde, während des Stillstandes erfolgte je eine Aufnahme. Hiermit wurde die Venus vor der Sonne aufgenommen, und zwar je Sekunde ein Bild, insgesamt 48 Bilder auf der Platte.
1877 wurden die ersten wirklichen Bewegungsaufnahmen von E. Muybridge in Kalifornien gemacht, der hierzu 24 Aufnahmeapparate benötigte, die nebeneinander aufgestellt waren und deren Verschlüsse mit Fäden verbunden waren, die das aufzunehmende Tier zerriss, wenn es sich in der Aufnahmerichtung des jeweiligen Apparates befand. Die helle kalifornische Sonne war eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen dieser Versuche, da sie erst ermöglichte, bei den damaligen unempfindlichen Schichten einigermaßen durchlichtete Bilder zu erhalten. Anfangs glückten nur Schattenaufnahmen gegen einen hellen Hintergrund. Muybridge setzte seine Arbeiten bis 1885 fort und verbesserte seine Geräte, indem er die Verschlüsse der Aufnahmeapparate durch ein Uhrwerk mit Kontaktscheiben auslösen ließ, auch gelangen ihm später teilweise recht gut durchgezeichnete Bilder. Er gab ein großes Sammelwerk heraus (Animal Locomotion, 11 Bände in sehr großem Format, Philadelphia 1887), in dem die verschiedensten Bewegungen von Menschen und Tieren wiedergegeben sind. Muybridge stellte auch Reihenbilder auf Papierstreifen nach diesen Aufnahmen für die Wundertrommel her und er projizierte auch diese Bilder. Die erste Projektion erfolgte 1879 in San Francisco, 1882 auch in Berlin. Muybridge betrachtete seine Reihenaufnahmen in erster Linie als Forschungsmittel für die Untersuchungen über den Ablauf menschlicher und tierischer Bewegungen. In dieser Richtung stellt sein großes Sammelwerk auch heute noch eine Fundgrube dar, die viel zu wenig beachtet wird. An ein Unterhaltungsmittel dachte er wohl nun insofern, als in der damaligen Zeit derartige Forschungsarbeiten für die sogenannte gebildete Welt gleichzeitig auch eine Unterhaltung waren.
1882 baute Reynaud seine Wundertrommel zu einem Projektionsapparat aus, 1888 verwendete er dabei längere Bildbänder.
Es wurden also zwischen 1792 und 1888 erfunden:
Bewegungswiedergabe durch Wechsel von Phasenbildern.
Wiedergabe stetig bewegter Bilder durch schnell bewegte Schlitze.
Ruckweise Bewegung der Phasenbilder mit annäherndem oder vollkommenem Stillstand.
Optischer Ausgleich der Bewegung der Phasenbilder durch Linse und Spiegel.
Lange Bildbänder.
Projektion bewegter Bilder.
Damit waren die Bestandteile des Kinematographen vollzählig vorhanden, es fehlte nur noch eine geeignete Form der Verbindung dieser Bestandteile und ihre zweckmäßige Ausgestaltung, um das Lichtspiel, das bewegte Bild als Unterhaltungsmittel großer Massen zu schaffen. Wie weit eine Annäherung an dieses Ziel bereits erreicht war, zeigen die Vorführungen von Reynaud 1888. Es wurden hier Bildbänder aus Gelatine verwendet, auf die die Phasenbilder gezeichnet waren, und die bereits Perforationslöcher trugen. Er hat drei Lustspiele hergestellt, deren Bildbänder 22 m, 36 m und 50 m lang waren und die 300, 500 bzw. 700 Einzelbilder enthielten. Die Spieldauer betrug sechs bis acht bzw. zehn bis zwölf und zwölf bis 15 Minuten. Der Wechsel der Bilder erfolgte je nach dem Bildinhalt mit verschiedener Schnelligkeit, einfache Bilder ohne Bewegung blieben auch längere Zeit stehen. Es handelte sich also bereits um recht beachtliche Vorführungen gezeichneter Filme in theatermäßigen Vorstellungen.
Alle die kleinen Spielzeuge, die bisher entstanden sind wie Praxinoskop, Taumatrop, Lebensrad, Wundertrommel und wie sie alle heißen, verwendeten als Bildmaterial ausschließlich gezeichnete oder gemalte Bilder oder plastische Modelle. Mit diesen gezeichneten, gemalten oder plastischen Phasenbildern konnten naturgemäß nur primitive, also wenig lebenswahre Wirkungen erzielt werden. Ausbaufähig konnten alle diese kinematographischen Versuche erst durch Hinzuziehung des photographischen Prinzips werden. Aber erst durch die Erfindung der Momentphotographie gelangte die Kinematographie zu ihrer heutigen Entwicklung.
1882 gelang es dem französischen Physiologen Étienne-Jules Marey den Grundfehler der Muybridgen Reihenaufnahme zu verbessern. (Das lebende Bild bei Muybridge hatte etwas Unnatürliches, da die Aufnahmekamera mit dem Objekt gewandert war. Das Objekt bewegte sich also räumlich gar nicht von der Stelle.) Marey widmete seine Studien vornehmlich der Bewegungsanalyse von Menschen und Tieren im Gehen, Laufen, Springen usw. Besonders interessierte er sich für die Einzelheiten des Vogelfluges. Da er einen fliegenden Vogel mit der schweren photographischen Kamera nicht verfolgen und auch die Methode von Muybridge aus leicht erklärlichen Gründen hierbei nicht anwenden konnte, baute Marey eine sogenannte photographische Flinte, auf der er zwölf Bildchen von etwa 1 cm Höhe unterbrachte. In der Laufmündung der photographischen Flinte vorn, steckte er ein Objektiv mit ziemlich langer Brennweite. Das Abfeuern der Flinte (Uhrwerk) verursachte die ruckweise Umdrehung dieser photographischen Platte innerhalb einer Sekunde, wobei zwölf Bilder in der Sekunde entstanden. Das Arbeiten mit dieser Flinte stellte aber trotz des erheblichen Fortschritts ein umständliches und wenig befriedigendes Verfahren dar, besonders deswegen, weil die Bilderzahl auch hier noch recht beschränkt blieb. Aber Marey gelang es, auch diese Mängel zu beseitigen. Er verwendete zur Aufnahme schließlich lange, biegsame Bänder aus Papier mit lichtempfindlicher Schicht an Stelle der photographischen Glasplatten. Es entstand ein brauchbarer kinematographischer Filmapparat im Jahre 1888, der im Deutschen Museum ausgestellt ist, denn er enthält schon die wesentlichen Teile der modernen Filmaufnahmekamera: die Schlitzscheibe, die Handkurbel und das Filmband. Damit stehen wir an der Schwelle der modernen Kinematographie,
1886 hat Auguste de Princes [Louis Le Prince] bereits ein amerikanisches Patent unter der Nummer 376/247 besessen, welches folgenden Titel trug: „Methode und Apparat zur Herstellung lebender photographischer Bilder“. 14 Monate später auf einer Reise nach England erhielt er die britischen, belgischen, französischen und österreichischen Patente. Im Jahre 1888 machte er in Leeds die ersten kinematographischen Aufnahmen. Als erster in der Geschichte der Kinematographie konstruierte er auch einen Projektor, bei dem die Bogenlampe als Lichtquelle verwendet wurde, und zu diesem Zweck errichtete der Elektroingenieur E. Kiburn Scott die Lichtanlage, welche sich aus einer Dampfmaschine und einem Dynamo zusammensetzte. Anfang 1889 hat A. Le Prince für seine kinematographischen Aufnahmen bereits Filme verwendet. In der ersten englischen Patentschrift Nr. 423 vom Jahre 1888 ist bereits die Verwendung der Filme vorgesehen. Es lautet dort wörtlich: „Mit Perforation versehen, die auf passenden Stiften, von einer Rolle geführt werden würden, könnte lichtempfindlicher Film als Negativ dienen, und zwar würde entweder ein endloses Band unlöslicher, mit einer Bromemulsion überzogenen Gelatine oder ein entsprechend lichtempfindliches Papier in Betracht kommen.“ In dieser Patentschrift war aber neben allen Grundelementen der Kinematographie auch noch die Frage des farbigen Films angeschnitten: „Die Positive würden nach der Entwicklung ... von Matern mit transparenten Farben, je nach dem Sujet, bearbeitet werden.“
Auch in Deutschland war man in der Entwicklung der Kinematographie nicht untätig geblieben. 1885 baute der Deutsche Ottomar Anschütz den „Elektrischen Schnellseher“. Dieser bestand aus einem 1½ Meter breiten Rade, aus dessen Rand die einzelnen auf Glas oder Zelluloid kopierten Reihenbilder aufmontiert waren. Durch Drehung des Rades wurden die Reihenbilder in rascher Aufeinanderfolge hinter einem Fensterchen durch Geisslersche Röhren hell erleuchtet und dem Publikum gezeigt. Der Schnellseher lieferte scharfe, gut stehende Bilder und in dieser Hinsicht war er dem zwei Jahre später herausgebrachten Kinetoskop von Edison überlegen. Im Jahre 1894 baute Anschütz einen Projektionsapparat. Auch dieser Apparat, ein Doppelprojektor, war eine technische Höchstleistung. Die Bilder waren abwechselnd auf zwei runden Scheiben befestigt, die durch eine Malteserkreuzschaltung mit tangentialem Eingriff abwechselnd geschaltet wurden.
1887 wurde der Anschützsche Schnellseher der Ausgangpunkt der Arbeiten von Edison am Kinematographen, denn im September 1887 erschien in einer amerikanischen Fachzeitung eine ausführliche Beschreibung des Schnellsehers und der Aufnahmekamera von Anschütz. Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Aufsatzes wurde Dickson, damals Angestellter im Laboratorium von Edison, beauftragt, Apparate auszuarbeiten, die später zum Kinetoskop führten. Die erwähnte Beschreibung der Aufnahmekamera von Anschütz entsprach allerdings nicht der wirklichen Bauart. Diese an sich falsche Berichterstattung hatte aber das Gute, dass sie Edison auf den richtigen Weg führte. Edison wollte das bewegte Bild als Ergänzung zu seinem Phonographen verwenden, der Ton sollte durch das Bild ergänzt werden. Es wurden deshalb Apparate gebaut, bei denen die Bilder auf einer Walze spiralig aufgezeichnet wurden.
1889 begann Eastman mit der Herstellung lichtempfindlicher Zelluloid-Filmbänder. Daraufhin setzte sich Edison sofort mit Eastman in Verbindung, und es wurden Versuche mit diesem neuen Material aufgenommen, ehe es in den öffentlichen Handel kam. Es war in den Edisonschen Laboratorium durch Versuche festgestellt worden, dass rund 50 Bildwechsel erforderlich sind, um auch schnelle Bewegungen fließend wiederzugeben. Das Querformat des Filmbildes hatte sich dabei als das günstigste erwiesen. Die Höhe des Bildes wurde mit ¾ Zoll und die Perforation mit vier Loch pro Bild festgelegt. Damit war eine wichtige Grundlage der heutigen Kinematographie geschaffen. 1893 brachte Edison Filme in den Handel, die weitgehend unseren heutigen Filmen entsprachen. Der Bau von Projektionsapparaten für Edison’sche Filme bot keine besonderen Schwierigkeiten, wenn eine kleinere Bildwechselzahl, 15 bis 18 Bilder in der Sekunde, als ausreichend erachtet wurde. Infolgedessen tauchten in Amerika kurz nach dem Erscheinen des Kinematoskops mehrere Projektionsapparate auf, die mit Edison’schen Filmen arbeiteten.
1894 begann E. Amat mit der Herstellung von Projektionsapparaten, von diesen sollen 500 Stück verkauft worden sein. Es dürften also bereits 1894/95 in Amerika zahlreiche Filmvorführungen gezeigt worden sein, wahrscheinlich alle mit Bildwechselzahlen von 15 bis 18 Bildern je Sekunde und deshalb mit starkem Flimmern und schleichender Bewegungswiedergabe.
1895 führten die Brüder Skladonowsky im November im Berliner Wintergarten auf einem selbstgebauten Doppelprojektionsapparat Filme vor. Sie hatten selbständig mit einfachen Mitteln einen Aufnahmeapparat entwickelt, mit dem sie bis zu 48 Aufnahmen auf einem Filmband aufnehmen konnten. Als Aufnahmematerial diente auseinandergeschnittener Rollfilm. Die Bilder waren nicht abstandhaltig und mussten deshalb vor dem Kopieren einzeln justiert werden. In technischer Hinsicht war die Herstellung dieser Filme gegenüber den zu dieser Zeit bereits im Handel befindlichen stark unterlegen, und die Bildgüte des Projektors stand weit hinter der von dem Anschützschen Projektor erreichten zurück. Die Bedeutung der Vorführung von Skladonowsky ist nicht in einem technischen Fortschritt zu suchen, sondern darin, dass sie erstmals ein geschlossenes, einheitliches Unterhaltungsprogramm zeigten. Sie führten folgende Bilder vor: 1. „Italienischer Bauerntanz“, 2. „Komisches Volk“, 3. „Das boxende Känguruh“, 4. „Jongleur“, 5. „Akrobatisches Potpourri“ (acht Personen), 6. „Kamerinskij“ (russischer Nationaltanz), 7. „Ringkampf zwischen Greiner und Sandow“, 8. „Ein Erfinder des Bioscopes“ (Gebrüder Skladonowsky). Sie bezeichneten diese Bilder mit vollem Recht als „ein volles Varieteprogramm in 15 Minuten“. Mit diesen Vorführungen der Gebrüder Skladonowsky waren in Deutschland die ersten Grundlagen zu Filmvorführungen gegeben.
1895 hatten die Brüder Lumière, ausgehend von dem Edison’schen Kinetoskop, einen Aufnahme- und Vorführapparat entwickelt, den sie erstmalig im März in der Société d’encouragement pour l’industrie nationale vorführten. Der Allgemeinheit zugängliche Vorführugen erfolgten vom 28. Dezember ab im Grand Café, Paris. Bandbreite und Bildgröße entsprachen den Edison-Filmen, die Perforation bestand jedoch nur aus einem Loch auf jeder Seite, da der Apparat ein Greiferapparat war. Das Gerät war technisch gut durchgebildet und war verhältnismäßig klein und einfach, hatte aber den Nachteil, dass die Bilder bei der Vorführung stark flimmerten und schnelle Bewegungen nicht fließend wiedergegeben wurden. Der Vorteil der Brüder Lumière bestand darin, dass sie Filme benutzten, die mit der gleichen Bildwechselzahl aufgenommen waren, wie sie auch später vorgeführt wurden, sodass die Geschwindigkeit der Bewegungen natürlich war und nicht verzögert, wie bei einer Projektion von Edison-Filmen. Die Vorführungen der Gebrüder Lumière erregten in Paris das größte Aufsehen, das auf das ganze übrige Europa ausstrahlte. Die Lumière’schen Aufnahmen zeigten Straßenbilder, einen fahrenden Eisenbahnzug, ein Boot an der Meeresküste, eine Gartenszene, also Bilder, die inhaltlich nicht die Geschlossenheit des Skladonowsky’schen Programms zeigten und deren Inhalt die Zuschauer kaum stärker gefesselt haben dürfte als der Inhalt der Edison-Filme.
1896 hatte Paul in London das Edison’sche Kinetoskop nachgebaut, da aber für diese nachgebauten Apparate keine Edison-Filme mehr geliefert wurden, hat er selber eine Aufnahmekamera gebaut, sodass auch in England Filme hergestellt werden konnten. Ein Nachbau des Paul’schen Apparates kam im Jahre 1896 nach Berlin und Oskar Messter erhielt ihn zur Ausbesserung. Er erkannte sofort die Unzweckmäßigkeit dieser Bauart und bereits im Mai 1896 hatte er eine neue Bauart entwickelt. Es war also bei dem damaligen Stande der Technik einem begabten Techniker durchaus möglich, in der kurzen Zeit von einem Monate einen Vorführungsapparat zu bauen, der einigermaßen brauchbar war.
In den Jahren 1895, 1896 und später ist eine große Anzahl von kinematographischen Apparaten gebaut worden. Von diesen Apparaten gewann die durch Oskar Messter geschaffene Bauart besondere Bedeutung. Er benutzte von Anfang an das Malteserkreuz. Die Verwendung dieses Schaltmittels an sich war bekannt, so hatten es bereits Anschütz und Edison verwendet. Messter hatte wohl aber als erster erkannt, dass das Malteserkreuz nur dann für die Filmschaltung wesentliche Vorteile bot, wenn es klein und mit geringerem Maße ausgeführt wurde und mit tangentialem Eingriff arbeitete. Außerdem mussten aber auch alle anderen Teile, Filmführung, Bildfenster usw. sorgfältig gebaut sein. So wurde der erste Apparat von Messter bereits ein derartiger Erfolg, dass Messter von Juni 1896 bis Ende des Jahres 1896 an 57 Kunden, darunter an mehrere je zwei Apparate verkaufen konnte. Anfänglich wurden hierzu Edison’sche Filme geliefert, die Messter aus London bezog. Schon im September 1896 baute er einen Aufnahmeapparat, im Oktober 1896 eine Kopiermaschine, und Ende 1896 hatte er vollständige Fabrikeinrichtungen für die Aufnahme und Verarbeitung von Filmen, sodass er eigene Filmaufnahmen liefern konnte. Messter war zwar in der Hauptsache Techniker, aber er führte auch Filmvorführungen und Filmaufnahmen durch und stand so in Fühlung sowohl mit dem letzten Verbraucher, dem Zuschauer, als auch dem Gestalter des Filminhalts, dem Schauspieler und Spielleiter. Die technische Entwicklung war für ihn nicht Selbstzweck, sondern immer nur Mittel zum Zweck, ein bewegtes Bild von möglichster Güte zu erhalten.
Messter hat eine große Anzahl von kinotechnischen Verbesserungen geschaffen. So hat er bereits 1897 den Vor- und Nachwickler gebaut, nicht andrückende Führungsrollen, nierenförmige Druckstücke, Schwungrad auf der Achse der Stiftscheibe, ausbalancierte Umlaufblenden, Seitenschienen im Führungskanal und einen Wiedergabeapparat für Liebhaberzwecke geschaffen. Im gleichen Jahr führte er Motorantrieb für die Atelier-Aufnahmekamera ein, schuf eine Liebhaber-Aufnahmekamera, entwickelte einen Ansatz für Mikro-Kino-Aufnahmen und baute eine Aufnahmekamera für Breitfilm und Bildwechsel bis zu 32 Bilder je Sekunde. Sein Aufnahmeatelier rüstete er mit Bogenlampen aus und stellte gewerbsmäßig laufend Filmaufnahmen her. Der von Messter entwickelte Wiedergabeapparat war das Vorbild der heute noch üblichen Theater-Maschinen; die allgemein übliche Form mit gekapseltem Werk, mit selbsttätiger Schwingung und auswechselbarem Malteserkreuzgetriebe wurde in dieser Form erstmalig von Messter im Jahre 1912 als Panzer-Kino in den Handel gebracht.
1896 hatte der Berliner Mechaniker M. Gliew einen Projektor fertiggestellt, der auch mit einem Malteserkreuz arbeitete. Messter hörte von dem Gliewe’schen Apparat und noch im Jahre 1896 kam eine Zusammenarbeit zwischen beiden zustande. In den Jahren 1890 bis 1896 war eine Kinotechnik geschaffen worden, welche die gewerbliche Herstellung und Vorführung von lebenden Lichtbildern gestattete und die eine weite Verbreitung gefunden hatte. Die Vorführung von Projektionsbildern hatte nur noch einen großen Mangel, das starke Flimmern der Bilder, was bei Zuschauern mit empfindlichen Augen Schmerzen verursachte, obwohl die Vorführung der einzelnen Filme nur ein bis zwei Minuten dauerte. Messter versuchte vergeblich, mit verschiedenen Blenden diesen Nachteil zu beseitigen. Erst im Jahre 1901 ist es dem Berliner Pätzold gelungen, eine Verbesserung durch eine dreiflügelige Blende zu schaffen. Als Gliewe von dieser Verbesserung erfuhr, wurden von 1902 ab alle Messter-Apparate mit einer dreiflügeligen Blende versehen. Diese Blende wurde von verschiedenen Systemen angewandt, mit Ausnahme des Vitascope-Apparates, der ein Nockenapparat war und eine vierflügelige Blende besaß. Dieser Apparat konnte zu damaliger Zeit mit Recht als der flimmerfreieste Apparat gelten.
1900 erschien der erste Katalog von S. Lubin aus Philadelphia, der, wie er selbst bekanntgibt, schon viele Jahre vorher einen Apparat unter dem Namen „Cineograph“ auf den Markt brachte. S. Lubin, dessen optische Fabrik Weltruf genoss, war eines der größten Unternehmen auf diesem Gebiete und hatte mit diesem Modell 1900 Cineograph, verbunden mit Stereoptikon, das Vollendetste geschaffen, was zu damaliger Zeit auf den Markt kam. Lubin befasste sich aber nicht nur mit der Herstellung von Aufnahme- und Wiedergabeapparaten, sondern stellte auch eine große Anzahl Filme her. In seinem Katalog von 1900 gibt es 8008 Filme verschiedener Art wie Aktuelle, Illusionen, Tänze, Märchen, Komische Szenen, Pikante Bilder, Kriegsfilme und Feuerszenen. Ebenso brachte er als erster die Oberammergauer Passionsspiele, die in 31 fortlaufenden Einzelaufnahmen dargestellt waren, sodass jedes Bild auch einzeln zu kaufen war. Die gesamte Länge der ganzen Passionsspiele betrug ca. 4000 amerikanische Fuß, was einer Meterzahl von etwa 1300 Meter entspricht. Zu dem Film wurde ein Textbuch kostenlos geliefert. Der Preis stellte sich auf 30 Mark per 50 Fuß. Auch Lubins Filme hatten das Edison’sche Maß wie es noch heute besteht. Mit diesem Film war der Anfang für ein größeres Drama gegeben. Lubin hatte bereits im Jahre 1899 auf der National-Export-Ausstellung in Philadelphia, auf der Weltausstellung in Paris 1900 und in der Pan-American-Ausstellung in Buffalo 1901 große Prachtbauten von Kinematographen-Theatern selbst besessen.
Zu dieser Zeit hatte man wohl erkannt, dass die einfache Methode, Bewegung von Mensch und Tier zu analysieren, sich zu einem Erwerbszweig entwickelte, der sich schnell über die ganze Welt verbreitete. Ganz besonders in Frankreich kam man auf die Idee, dieses kinematographische Gewerbe, welches eine völlige Umwandlung der Schaustellungen auf Messen und Jahrmärkten zur Folge haben würde, industriell zu verwerten. So erhielt bereits im Jahre 1900 auf der Pariser Weltausstellung die Firma Pathé Frères für ihre Apparate den Grand Prix. Diese Firma hatte einen derartigen Aufschwung zu verzeichnen, dass sie bereits 1908 die größte kinematographische Firma der Welt war. Sie beschäftigte mehr als 2000 Arbeiter und produzierte täglich 85 km Films, die fast in allen Kinos der Welt gezeigt wurden. Die Firma Pathé Frères war mit die erste, welche den kolorierten Film auf den Markt brachte. Die Herstellung desselben erfolgte in ihren eigenen Ateliers auf mechanischem Werke. Außerdem stellte sie monatlich über 600 Apparate her, die in alle Welt verschickt wurden. Ihre Aufnahmeateliers waren Glashallen von riesigen Ausmaßen und mit den modernsten Einrichtungen ausgestattet, die auch die Aufnahmen der schwierigsten Szenen ermöglichten (wie ein Wasserbassin zur Aufnahme nautischer Szenen).
Auch die Firma L. Gaumont, Paris, hatte zu damaliger Zeit eine große Anzahl Filme auf den Markt gebracht. In Deutschland waren die eigentlichen Wegbereiter der Kinematographie die Schausteller, die mit ihren Wohnwagen von Markt zu Markt und Stadt zu Stadt fuhren und in Bretterbuden oder Leinwandzelten ihre Filme, die eine Länge von 15 bis 20 Metern hatten, vorführten. Ihre Lichtquelle bestand aus einem Ölmotor, der das elektrische Licht erzeugte, oder man führte mit Kalklicht und Acetylengas vor.
Im Jahre 1906 war eine große Anzahl verschiedener Systeme von Apparaten auf dem Markt wie Messter, Gaumont, Buderus, Lubin, Bioskop, Vitaskope, Pathé Frères, Urban Gad, Nitzsche, Unger und Hoffmann, Deutsche Kinematographen-Werke u. a. [...] kam die heutige Weltfirma mit ihrem Kino-Projektor auf den Markt. Später folgten Bauer und Mechau. Die Firma Heinrich Ernemann war mit die einzige, die es verstand, durch fortwährende Neuheiten und Verbesserungen eine Präzisionsmaschine herauszubringen, in welcher die Optik mit der Mechanik bis in das kleinste ausgeglichen [war] und deshalb alle Fehler, die den anderen Fabrikaten verblieben sind, ausschalteten. Dies lag in der Hauptsache daran, dass die Firma Ernemann mit dem Theaterbesitzer in bester Fühlung stand und stets das größte Interesse für Abstellung der Mängel zeigte, die sich in der Praxis ergaben.